Das jüdische DP Lager in Landsberg – Eine persönliche Erinnerung von Colonel Irving Heymont

aufbereitet von Manfred Deiler.
Erstveröffentlichung in: Landsberg im 20. Jahrhundert – Themenhefte zur Landsberger Zeitgeschichte – Heft 6: Landsberg 1945 – 1950: Der jüdische Neubeginn nach der Shoa Vom DP-Lager Landsberg ging die Zukunft aus – ISBN: 3-9803775-5-5.

Irving Heymont war von September bis Dezember 1945 der vor Ort für das DP-Lager Landsberg verantwortliche Offizier. Er fasste für uns seine Erinnerungen an diese Anfangszeit des Lagers zusammen und beschrieb aus der Sicht des Militärs die Situation im jüdischen DP-Camp in der ehemaligen Saarburg-Kaserne.

Im Alter von 27 Jahren war ich als Offizier der amerikanischen Streitkräfte vom September bis Dezember1945 für die Leitung und Verwaltung des Jewish Displaced Persons Camp (DP-Lager) in Landsberg verantwortlich. Das Lager wurde Anfang Mai 1945 in der Saarburg-Kaseme eingerichtet und bestand ursprünglich aus den Überlebenden der Konzentrationslager Landsberg/Kaufering. Kurz vor meiner Ankunft war bereits eine kleine Gruppe von Leuten der United Nations Relief and Rehabilitation Agency (UNRRA) und eine noch kleinere Gruppe von dem American Joint Distribution Committe (AJDC) eingetroffen, um bei der Verwaltung des Lagers zu helfen. Die Verantwortung wurde mir übertragen, da das Lager auf dem Gebiet lag, in dem das von mir befehligte Infantrie-Bataillon vorgerückt war. Kurz zuvor wurde dem Präsidenten Harry Truman durch seinen persönlichen Gesandten, Earl Harrison, ein sehr kritischer Bericht über die Behandlung der jüdischen DPs durch die amerikanische Armee erstattet. Allem Anschein nach glaubte meine Division und das Regimentshauptquartier, dass ich mit den DPs klar kommen würde und weitere negative Publicity vermeiden könnte. Meine Befehle waren knapp und klar. Ich hatte das Lager in Ordnung zu bringen, so früh wie möglich Wahlen zum Lagerkomitee abzuhalten und die Ordnung aufrechtzuerhalten. Vor allen Dingen musste ich jede Aktion vermeiden, die der Armee ein unvorteilhaftes Ansehen bereiten könnte. Es war klar, ein Fehler könnte das Ende meiner Karriere als Berufsoffizier bedeuten. Ich sah mich Problemen gegenübergestellt, auf die ich weder in der zivilen noch in der militärischen Ausbildung vorbereitet worden war. Die Erfahrungen im DP-Lager Landsberg waren einzigartig und können aus unterschiedlichen Perspektiven gewertet und wiedergegeben werden. In meinem Buch ,,Among the Surviors of the Holocaust – 1945: The Landsberg DP Camp Letters of Major Irving Heymont, United States Army“ sind Einzelheiten und Gedanken während dieser hektischen Monate festgehalten. Es wurde später auf Deutsch übersetzt und von Oberst Peter N. Schmitz und Oberstleutnant Kurt Stuermer von der Luftwaffe veröffentlicht. Das Buch besteht aus Briefen, die ich zu dieser Zeit meiner Frau schrieb.

Irving Heymont (Bildmitte) im Dezember 1945

lch möchte jetzt nicht erneut die Ereignisse, die in diesem Buch beschrieben werden, aufzählen, sondern meine Gefühle bezüglich der Landsberger Erfahrung beschreiben, nachdem nun mehr als 50 Jahre vergangen sind.
Ich glaube, dass die Beziehungen zwischen der amerikanischen Armee und den jüdischen DPs auf zwei unterschiedlichen Haltungen basierten. Die Haltung der Armee wurde von einer ganzen Reihe von Faktoren bestimmt. Die jüdischen DPs stellten ein unerwartetes Problem dar, weil sie im Gegensatz zu anderen DPs nicht sofort oder in absehbarer Zukunft in ihre Heimatländer zurück gebracht werden konnten. Die erklärte Politik der Alliierten war es, dass es den jüdischen DPs nicht schlechter als den Deutschen gehen sollte. Was erschwerend hinzukam war, dass für Zivilisten keine Unterkünfte in Deutschland zu bekommen waren. Der einfachste Weg war, sie in Lagern, wo immer möglich in ehemaligen deutschen Kasernen und ähnlichen Einrichtungen unterzubringen. Die vordringlichste Aufgabe zu dieser Zeit war, ein am Boden zerstörtes Deutschland wieder aufzubauen. Die Hoffnung und Erwartung war, dass die jüdischen DPs ohne Widerspruch bereit waren, wie Soldaten in Lagern zu leben, wo Hygiene und Disziplin im Mittelpunkt standen.

Sederfeier im DP-Lager Landsberg

Ein anderer Faktor, der nie offen ausgesprochen wurde, waren die persönlichen Vorurteile der betroffenen Armeeangehörigen. Wie ich mich erinnere, hielten einige die jüdischen DPs für schmutzige, faule, laute Leute, die nach besonderen Privilegien schrien und im Vergleich mit den ,,sauberen, freundlichen, ehrerbietigen“ Deutschen und DPs aus den baltischen Ländern schlecht wegkamen. Der größere Teil jedoch war sich der Notlage der jüdischen DPs bewusst und hatte Mitgefühl für ihre Situation. Aber gleichzeitig waren sie ihnen lästig, weil die DPs sie von der Aufgabe abhielten, den Wiederaufbau von Deutschland voranzutreiben. Einige wenige, darunter auch Generäle, waren zutiefst betroffen und taten ihr allermöglichstes, den jüdischen DPs zu helfen. Ich erkannte sehr schnell, was die vordringlichsten Probleme waren. Das Lager hatte bislang ständig unter unangemessener Aufsicht gelitten. Vor meiner Ankunft gab es wenigstens vier verschiedene Lagerkommandanten kurz hintereinander. Es war schmutzig. Die DPs durften das Lager nicht ohne schriftliche Genehmigung verlassen. Amerikanische Soldaten standen an den Türen Wache, um dafür zu sorgen, dass dieser Befehl eingehalten wurde. Etwa 80 Prozent der Lagerinsassen waren Juden und das war mit Problemen eigener Art verbunden. Es gab nur wenig, was sofort getan werden konnte und wir taten es. Ich ließ das Lager in ein ausschließlich jüdisches Lager umwandeln und schuf aus einer bewachten und von Stacheldraht umzäunten Anlage eine im Grunde genommen eigenständige Stadt innerhalb der Stadt Landsberg. Das Lager hatte seine eigene Lagerpolizei, eine Abteilung, die für Hygiene zuständig war, ein Krankenhaus, Schulen und eine interne Verwaltung. Ich regte an, eine Lagerzeitung zu machen, die ,,Landsberger Cajtung“. Ich wollte ein Medium haben, mit dem ich die Lagerbewohner erreichen konnte. Sie sahen es als Medium, sich selbst auszudrücken und so wurde es sehr bald schon eine hervorragende Zeitung, die weit verbreitet war und großen Einfluss in allen jüdischen DP-Camps in Deutschland hatte. Nach kurzer Zeit waren wir in der Lage, Wahlen für die interne Lagerverwaltung durchzuführen. Es war die erste Wahl in allen DP-Camps. Meine vorgesetzten Dienststellen hatten mir gegenüber ständig gedrängt, die Wahl sobald als möglich durchzuführen. Sie wollten damit offensichtlich der Kritik entgegentreten, den DPs würde die freie Stimme in ihren eigenen Lagerangelegenheiten verwehrt.

Die Landsberger Lager-Cajtung – Ausgabe: 18. November 1945

Bei der Durchführung meiner Aufgabe erfuhr ich sehr bald, dass die jüdischen DPs in vielerlei Hinsicht völlig anders reagierten, als wir erwarteten. Sie tauchten gerade aus einer traumatischen Erfahrung jenseits allen Fassungsvermögens auf und waren von unterschiedlichen Motiven bewegt. Ihr vorrangiges Ziel war, überlebende Familienmitglieder wiederzufinden. Zum zweiten wollten sie Europa verlassen. Sie betrachteten sich größtenteils erst als Juden, nachdem sie sich überzeugen lassen mussten, dass die Länder, in denen sie geboren waren, sie zurückwiesen. Bis sie Europa verlassen konnten, wollten sie sobald als möglich zu ihrem normalen Familienleben, ihrer Würde als Menschen zurückfinden. In Landsberg war das aufgrund der hoffnungslosen Überfüllung äußerst schwierig. Die Zahl der Lagerbewohner schwankte zwischen 5.000 und 7.000 Menschen. Die Saarburg-Kaserne bot normalerweise Platz für 10 bis 15 Prozent dieser Anzahl an Menschen. Es wurden verzweifelte Anstrengungen unternommen, um wenigstens etwas Privatsphäre zu erhalten, in dem man die Räume mit Pappkartons und hängenden Decken unterteilte. Die sanitären Bedingungen waren aufgrund der überlasteten Kanalisation schrecklich. Toilettenpapier war ein seltener Komfort. Das elektrische System war überlastet, weil sich viele der Bewohner kleine elektrische Kochplatten eingerichtet hatten und in ihren überfüllten Zimmern kochten, um den Anschein von Familienleben zu erwecken. Das trug auch in großem Umfang zu den Hygieneproblemen bei.

General Walter B. Smith bei einem Besuch im DP-Camp Landsberg

Ein zentrales Thema meiner täglichen Diskussionen mit dem Leiter des DP-Lagers war die Verbesserung der sanitären Einrichtungen. Es schien, dass sie diesem Problem nicht dieselbe Bedeutung beimaßen, wie ich es tat. Wenn ich auf die Ironie hinwies, dass die Überlebenden des Holocaust aufgrund des Mangels an ausreichender Hygiene krank und womöglich sterben würden, versicherte mir der Lagerarzt, dass diejenigen, die wegen mangelhafter Hygiene einer Krankheit erliegen könnten, dies bereits in den Konzentrationslagern getan hätten. Die Lagerleiter hatten auf meine Bitte um Verbesserung der sanitären Anlagen immer zwei Antworten: Sie würden es intensiver versuchen und das ganze Problem würde gelöst sein, wenn ich sie aus Europa herausbringen könnte!

Eine der Hauptursachen für das Problem mit den sanitären Anlagen war die Versorgungslage. Einmal gipfelte die Diskussion mit hohen Offzieren des Stabes in dem Punkt, wie wir für das Lager 100 Besen bekommen können. Die Deutschen konnten uns damit nicht versorgen und ich wusste nicht, wo ich sie stehlen könnte. Meine Anstrengungen, das Lager auf normalem Wege regelmäßig mit Toilettenpapier versorgt zu bekommen, scheiterten. Als der Zustand einen kritischen Punkt erreicht hatte, schickte ich einen Offizier mit Lastwagen und Anhänger den ganzen weiten Weg zum Armee-Versorgungsstützpunkt in Belgien, um eine volle Ladung zu erbetteln oder zu stehlen. Er hatte Erfolg.
Die DPs hatten den Anspruch auf ein Leben mit demselben Komfort wie die Deutschen um sie herum. Einmal hielt mich eine Frau aus Polen im Lager an und brachte einen leisen aber heißherzigen Einwand. Sie erzählte mir, die Nazis hätten die meisten ihrer Verwandten getötet, einschließlich ihres Ehemannes und all ihrer Kinder bis auf eines. Sie und ihr Kind lebten nun mit vielen anderen in einem Zimmer in einer der Baracken, die den größten Teil des Lagers ausmachten.
Ist es unangemessen, fragte sie, wenn sie von den Deutschen als Wiedergutmachung eine kleine Wohnung verlange. Sie wollte nicht, dass irgendjemand hingerichtet oder eingesperrt wird; alles was sie wollte, war eine kleine Wohnung. Wenn ihr Wunsch angemessen war, wollte sie wissen, warum ich die Deutschen dazu nicht veranlasste? Dies war eine weitverbreitete Einstellung.
Den Einstellungen der jüdischen DPs lagen auch Erfahrungen zugrunde, die aus den Konzentrationslagern stammten. Einer Verlegung von einem Lager in ein anderes (in ihren Worten einem „Transport“) hatte man sich selbstverständlich zu widersetzen, selbst wenn es in bessere Einrichtungen ging. Während des Holocaust bedeutete ein „Transport“ normalerweise einen Schritt näher zur Vernichtung. Außerdem gab es starken Widerwillen, Beziehungen zu anderen abzubrechen, auch wenn diese Verbindungen neu und unwesentlich waren. Diese Haltung war verantwortlich dafür, dass die Reduzierung der Überbelegung durch Verlegungen in andere Lager mit besseren Einrichtungen, wie zum Beispiel Föhrenwald, das ein paar Stunden von Landsberg entfernt war, nicht gelang.

Die Arbeitsmoral war sehr schwach und die meisten der DPs hätten ohne greifbare Belohnung wenig gearbeitet; Zigaretten waren am begehrtesten. In den Konzentrationslagern musste Arbeit vermieden werden, um sich die Kraft zum Überleben zu erhalten. Alles was der deutschen Wirtschaft diente, war ihnen verflucht. Mehr als einmal wurde mir gesagt: „Wir haben Deutschland genug mit unserem Blut und unserem Leben bereichert“. Trotzdem hörte ich niemals den Wunsch auf physische Rache oder danach, die Existenz der Deutschen auf das Niveau eines Konzentrationslagers zu reduzieren. Viele versicherten. dass es den Deutschen gelegen käme, einige Arbeiten für sie erledigen zu dürfen.

Meinen Bemühungen die Überfüllung und die unzureichenden Unterkünfte im Lager zu reduzieren, stand der Stab des Armeekorps entgegen, der die Macht hatte, die Beschlagnahme von deutschen Wohnungen anzuordnen. Das Oberkommando hat an der Notwendigkeit mehr Wohnungen bereitzustellen gezweifelt. Schließlich stand den Lagerbewohnern genausoviel Wohnraum zu, wie Soldaten während des Kriegs in einem Camp zustand. Während meiner Amtszeit wurde nur einmal die Genehmigung für eine solche Aktion erteilt, als die Überfüllung nahezu unerträglich wurde. Einige amerikanische Einheiten wurden nach Landsberg befohlen, um mehr Wohnraum für das Lager zu beschaffen. Ich hatte den Befehl, ohne Verzögerung einige deutsche Häuser beschlagnahmen zu lassen. Es gab etwas Unruhe, an der zum Teil ich schuld war, weil ich den Befehl wortgetreu befolgte. Die Unruhe brach aus, als einige Lagerbewohner rechtswidrig versuchten, die zu evakuierenden Deutschen daran zu hindern, persönliche Dinge mitzunehmen. Ich beendete diese Situation sofort, indem ich alle Lagerbewohner auf den Straßen zurück in das Lager drängte und es vorübergehend schloss.

Eine Arbeitseinheit errichtet den Eingang zum DP-Lager Landsberg

Politik der Armee war, die DPs alle Arbeiten innerhalb des Lagers als ein „Teil ihrer Wiedereingliederung“ selbst durchführen zu lassen. Dies schien eine vernünftige Forderung, aber in vielerlei Hinsicht unrealistisch. Das Lager war beispielsweise durch eine Menge Müll verschmutzt, den die deutsche Armee zurückgelassen hatte. Eine unansehnliche Angelegenheit, die von allen Armeeangehörigen, die das Lager besuchten, sofort bemerkt wurde, waren sie doch durch ihre Ausbildung an Sauberkeit gewöhnt. Ich hatte den Befehl, die DPs zu veranlassen, diesen Müll wegzuräumen. Sie widersetzten sich mit der Begründung, die Deutschen hätten dies hinterlassen und die sollten es gefälligst auch entfernen. Sie sahen Landsberg nicht als ihr Zuhause und der Müll war ihnen gleichgültig. In meiner Verzweiflung verstieß ich gegen das Verbot, Kriegsgefangene für die Arbeit im Lager heranzuziehen und veranlasste, dass einige geholt wurden, die den Müll wegschafften.

Eine andere ungewöhnliche Situation entstand, als wir Heizmaterial für den Winter organisieren wollten. Die Deutschen mussten uns mit Holzöfen für die Zimmer versorgen und ein Waldstück zum Schlagen von Brennholz zur Verfügung stellen. Das Holz sollte von Dps geschlagen und ins Lager transportiert werden. Mir blieb die schwierige Aufgabe, die Motorsägen und Lastwagen zu beschaffen. In der Sprache der Armee wird so etwas „Eigeninitiative vor Ort“ genannt. Wir bestachen, wir bettelten und wir stahlen, um Motorsägen und Lastwagen zu bekommen. Trotz der hohen Bezahlung mit Zigaretten brachten wir die DPs nicht dazu, im Wald genügend Holz zu schlagen. Sie beklagten nicht ganz unberechtigt, dass es ihnen an richtiger Kleidung und Ausdauer für eine so harte Arbeit fehlte. Sie forderten auch, dass Holzhacken das Wenigste sei, was die Deutschen für die Überlebenden des Holocaust tun könnten. Schließlich wurde mir gestattet, SS-Gefangene zum Holzfällen anzufordern. Der für dieses SS-Camp verantwortliche Offizier machte deutlich, dass die SS-Angehörigen nicht mehr als acht Stunden am Tag arbeiten dürften, gerechnet vom Verlassen des Kriegsgefangenenlagers bis zu ihrer Rückkehr. Trotz des harten Lebens im DP-Lager und der mangelhaften Versorgung hatten die Lagerbewohner bis September 1945 Bildungs-, Berufsbildungs-, Erziehungs- und soziale Programme geschaffen und sich selbst auf ein neues Leben in Freiheit, wo auch immer, vorbereitet. Ebenso hatten sie eine interne Lagerverwaltung geschaffen, die jeden Lebensbereich im Lager abdeckte. Gemeinsam mit Vertretern jüdischer Überlebender aus anderen Lagern hatten sie ein Zentralkomitee gegründet, um die Interessen aller Überlebender in der amerikanischen Zone zu vertreten. Ich erinnere mich mit großer Bewunderung an Führungspersönlichkeiten wie Dr. Jacob Olejski, Samuel Gringauz, David Traeger und Dr. Nabrinski und viele andere, die schufteten, um eine neue Lebensbasis für ihre jüdischen Brüder zu schaffen. Sie waren ständig hinter mir her und forderten Autonomie – das Recht, die internen Aktivitäten im Lager selbst zu regeln und zu verantworten.

Wahlplakat DP-Lager Landsberg

Ich frage mich, was diese begabten Männer mittleren Alters, Überlebende von Konzentrationslagern wohl gedacht haben mögen, als sie von einem 27 Jahre alten US-Offizier gesagt bekamen, dass sie diese Kontrolle über das Lager nicht erhalten könnten, bis sie bewiesen hätten, dass sie das Lager in einem hygienischen Zustand halten könnten, wie ihn die US-Armee forderte.

Es muss für die jüdischen DPs ganz schön bitter gewesen sein, von den arroganten Amerikanern als unfähige Zöglinge behandelt zu werden. Ich benutze das Wort „arrogant“, weil wir uns damals sicher waren zu wissen, was das Beste sei – und wir hatten die Mittel und die Macht, unseren Weg durchzusetzen. Den Holocaust überlebt zu haben und dann wieder gezwungen zu sein, in einem Lager zu leben – wenn auch in einem, das es gut meinte – muss entmutigend gewesen sein. Ich fragte mich oft, was sie dachten, was sie von ihrer Behandlung durch die „zivilisierte Welt“ hielten, wenn sie aus den Fenstern ihrer überfüllten Baracken sahen, wie die Deutschen ohne Beeinträchtigung ihren Geschäften nachgingen.

Im Jahr 1988 besuchte ich das Lager wieder. Es war vollständig renoviert und eine militärische Anlage, die eine Einheit der deutschen Luftwaffe beherbergte. Der damalige Kommandant Peter N. Schmitz erzählte mir, wie beengt es für seine 700 Männer sei. Er war sich nicht bewusst – und es gab auch nichts was darauf hinwies – dass hier einmal 5.000 bis 7.000 Juden gleichzeitig für mehrere Jahre untergebracht waren. Ich beschloss, dieser Situation Abhilfe zu schaffen, indem ich eine Erinnerungstafel am Lagereingang anbringen ließ. Meine Bemühungen wurden von Major Schmitz und Landsbergs Oberbürgermeister, Franz Xaver Rößle voll unterstützt. Im September 1989 wurde die Erinnerungstafel am Eingang der Kaserne enthüllt. Die Inschrift besagt, dass die US-Armee hier ein Lager für die Überlebenden des Holocaust gegründet hat und die Anstrengung der Überlebenden Programme zu entwickeln, die sie auf ein Leben in Freiheit vorbereiteten und an diese Bemühungen sollte erinnert werden. Unter den Anwesenden bei der Enthüllung waren Gäste aus Israel, den USA, Deutschland und anderen Ländern, die ehemals Bewohner des DP-Lagers waren oder dort geboren waren. Der Hauptredner war Dr. Abraham J. Peck von den American Jewish Archives, der in dem Lager geboren war. Ein anderer Redner war Dr. Simon Snopkowski, ein ehemaliger Bewohner des Lagers und Präsident der jüdischen Kultusgemeinden in Bayern. Die letzten Worte des Textes, den ich für die Erinnerungstafel geschrieben habe, lauten: „Erinnern wir uns , damit solche Lager niemals mehr notwendig werden“ Heute kann man sagen, dass Deutschland sich erinnert hat. Unglücklicherweise gibt es wieder den Holocaust und DP-Lager anderswo auf dieser Welt.

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